Wie gewohnt fundiert und sehr gut dokumentiert stellt Joachim Bauer dar, weshalb Lebewesen von Grund auf kooperativ sind. Er schildert die neuesten Erkenntnisse aus der Forschung an den Genen und berichtet, wie diese ein Potential enthalten, das je nach Situation, Lebensgeschichte und Rahmenbedingungen angeschaltet werden kann. In seinen von mir früher genossenen leicht lesbaren Büchern „Warum ich fühle, was du fühlst“, „Prinzip Menschlichkeit“, „Lob der Schule“ und „Das Gedächtnis des Körpers“, geht er darauf ein, wir wie geprägt wurden und wie wir auf Kooperation und Zusammenspiel angelegt sind, da wir nur so (über)leben können. Er zeigt auf, wie das auch genetisch verankert ist und uns immense Entwicklungspotentiale öffnet und unsere Zukunft sichern kann – wenn wir dieser menschlichen Entwicklung Raum geben und sie auch fördern. Immer wieder nahm Bauer auch Bezug auf den Darwinismus, der ja ursprünglich nur darlegte, wie über viele Generationen aufgrund zufälligen, nicht willentlichen Veränderungen einige Individuen mehr Nutzen aus den gerade aktuellen (Umwelt-) Verhältnissen ziehen konnten als andere, insofern besser angepasst waren und demzufolge mehr Fortpflanzungs- (nicht unbedingt Überlebens-) Chanchen hatten – was langfristig gesehen eine Selektion bedeutet. Mit der zu weiten Auslegung desselben Darwinismus wurde eine aktive Selektion auch im Nationalsozialismus begründet. Und wird heute wirtschaftlich und sozialpolitisch immer wieder geliebäugelt, was unsere Überlebenschancen als Art reduziert, wenn es z.B. Einzug in der Pädagogik hält.
Um zu diesem prägenden darwinistischen Gedankengut Stellung zu nehmen, holt Bauer nun weiter aus. Er beschreibt, wie Darwin nach langem Suchen als psychosomatisch kranker Mann (andere stuften das aufgrund der Symptome als Depressionen ein) zufälligerweise auf die ökonomische Theorie von Thomas Malthus stiess und so die für ihn endlich erlösende Idee der Selektion fand. Malthus bezog sich auf die Hungersnöte in England, beschrieb, wie diese nur die Tüchtigsten überleben liess und sprach sich gegen sozialstaatliche Massnahmen aus, da aus seiner Sicht als protestantischer Theologe die gottgegebene Ordnung diese „Selektion“ vorsah. Dies prägte dann die Darstellung von Darwin über die Entstehung der Arten (die Bauer an sich nicht anficht), verselbständigte sich dann aber später zum Darwinismus, der mit viel Ideologie angereichert wird. Offenbar macht Richard Dawkins dies heute noch mit seiner Populärliteratur so.
Die grosse Sorge darum, dass mit dieser Ideologie eben unser Überleben eher gefährdet wird, ist bei Joachim Bauer einmal mehr spürbar und wird von ihm dargestellt: er glaubt, dass wir die Herausforderungen der Zukunft wesentlich besser mit den neuen Erkenntnissen und in mitmenschlicher Kooperation bewältigen können als mit dem ideologisch gefüllten, hartherzigen und wenig entwicklungsorientierten Gedankengut – dieses hat eher bedrohliche Aspekte.

Das kooperative Gen von Joachim Bauer, Evolution als kreativer Prozess / Abschied vom Darwinismus