Ein anregendes Büchlein. Die Autoren kritisieren viele Strategien als zu vergangenheitsorientiert (es sei Zukunftsplanung durch Blick in den Rückspiegel) und zu sehr von ausserhalb des Steuerungssystems einer Organisation beeinflusst – durch Experten und Verwaltungsräte, die sich nicht als Teil des Systems verstehen.

Im ersten Teil erhalten wir eine sehr kompakte und schlüssige Zusammenstellung der bisher geläufigen Strategieentwicklungsmodelle. Ein Überblick, der sonst selten so dicht und in knapp 30 Seiten zur Verfügung steht. Dann entfalten die Autoren ihr Modell. Leider ist vieles zwar erhebend übersichtlich dargestellt, aber kaum von Werten, Motiven, Sinnhaftigkeit die Rede. Trotzdem ist das Beschriebene durchaus brauchbar.

Die Autoren beschreiben ihre Vorgehensweise als „dritten Modus“ der Organisationsberatung, da sie gemäss ihrer Aussage Beratung neu erfunden haben und – was völlig zutrifft – die tradierten Denkweisen und Lösungsmuster der Fach- und Prozessberatung verlassen haben. Da werden sie etwas angriffig, bezeichnen z.B. Komplementärberatung als nicht funktional, betonen die Notwendigkeit, bisherige Erfolgsmuster zu verlassen und integrieren in der – explizit gemeinsamen, nicht einsamen – Strategieentwicklung auch die Chance, tradierte Führungs- und Kulturthemen aufzugreifen und zu bearbeiten. Eigentlich eine Gelegenheit für umfassende Auffrischung und Erneuerung.

Die Autoren beschreiben die Aspekte von Zeit (Kompetenz in Zeitdimensionen), Sache (Fach-, Experten- und Feldkompetenz) und Sozialem (Prozess- und Gruppenkompetenz) als zentral und verlangen damit neben einer gruppendynamischen, prozessbezogenen und unternehmerischen auch eine gewisse Feldkompetenz für diese umfassende Erneuerung und Aktualisierung der Organisation. Erfreulich, wie nun die Praxis, die von Beratern seit Jahrzehnten als üblich gilt, nun auch in der Literatur ankommt.

Ein erfrischendes Buch mit viel Aufforderungscharakter und Anstössen. Besonders interessant – wenn auch nur auf zwei Seiten beschrieben – ist der Aspekt der Zeitkompetenz: es gehe darum, auch die Vergangenheit als modellierbar anzugehen. Man könnte sich darunter vorstellen, dass ein Verständnis des Gewordenen, ein anderes Narrativ gemeint ist. Explizit nennen sie aber, dass z.B. vielleicht anders als früher heute mehr Zeit für einen umfassenden Strategieprozess eingesetzt werden sollte, aber auch nicht zu lange, um den Faden zu verlieren. Schliesslich sei die Verzahnung mit kurzfristigen Management- und Planungsprozessen nötig sowie eine realistische Umsetzungsplanung. 

Im Endeffekt beschreibt das Büchlein die Jahrzehnte alte Praxis von Prozessberatern mit adäquater Feldkompetenz. Anzuerkennen ist, dass damit die übliche Expertenberatung im Strategiebereich ergänzt wird und dass das speziell für die Beratung von KMU’s von Bedeutung ist: diesen werden noch heute viele Modelle angeboten, die für Grossfirmen entwickelt wurden und fast nur dort funktionieren. So kann die Schrift doch zu einer passenderen Beratung und Begleitung führen und BeraterInnen anregen, etwas adaptiver und anschlussfähiger vorzugehen. Die Quintessenz ist zwar etwas mager aber doch sinnvoll: der postulierte „dritte Weg“ ist weder ausschliesslich Experten- noch ausschliesslich Prozessberatung, sondern beides gekoppelt, ergänzt mit einem Verständnis für das Arbeitsfeld und übliche Führungsfragen wie Zeitbedarf für interne Meinungsbildung, Entscheidungsfindung und Umsetzung. 

Einführung in die systemische Strategieentwicklung von Reinhart Nagel und Rudolf Wimmer