Eine Wohltat, dieses Buch. Obwohl es als Dissertation 2000 geschrieben wurde, ist es praktisch eine Beschreibung der Gegenwart im 2017. Es beschreibt, was Postmoderne ist, und wie sich diese in der Organisationswelt ausprägt – und auch in der Öffentlichkeit. Da wird beispielsweise erläutert, weshalb die Macht früher wahrheitsabhängig war und weshalb in der Postmoderne die Wahrheit machtabhängig ist.

Dre Titel ist etwas missverständlich: es werden die Grundlagen der Denkkonzepte und verschiedene Formen des Organisationsverständnisses vor und in der Postmoderne werden dargestellt. Die Grenzen zwischen Organisationen und Umwelt würden fliessender und ein bisschen wandern. Die früher vertretene Auffassung von organisationaler Identität wird fragwürdig, da sich zufolge Konzentration auf Kernkompetenzen, Globalisierung und Virtualisierung diese nicht mehr klar steuern lassen.Eine dauerhafte Essenz und Konsistenz fehle, eher sei Fragmentierung sichtbar. Angesichts der dauernden Reorganisationen ist nicht mehr der Wandel erklärungsbedürftig – der als dauerhafte Eigenschaft einer Organisation betrachtet wird – sondern der Stillstand.
Eine weitere Herausforderung sei die selbstverständliche Ausdifferenzierung und Diversität von Organisationen – wenn man zu viel von Integration spricht, fühlen sich die Individuen zu sehr eingeengt – wenn man zu viel von Diversität spricht, kriegt man keine gemeinsam Linie mehr hin. Also eine Verschiebung der Selbstverständlichkeiten.
Quantitative Grundlagen für Entscheidungen werden immer mehr durch qualitative Beobachtungen ersetzt, zumal sich immer weniger aufgrund der Vergangenheit auf die Zukunft schliessen lässt. Das Narrativ einer Organisation ist ein Konstruktionsprozess; die Manager sind nicht mehr Heroen sondern Spieler, die verschiedene Vorgehensvarianten auszuloten versuchen. Die Zeitschrift zum postheroischen Management hat diesen Impuls aufgenommen.
Ein Buch voller Impulse zum Verstehen der Gegenwart und der Veränderungen; locker gedacht, mit einer Flughöhe, die die Denk- und Sichtweisen auf plausible Art besprechbar macht. Zeitweise für mich etwas überfordernd geschrieben; mit der Vorgehensweise: erst die ersten Kapitel bis ich angestanden bin, dann die Zusammenfassung am Schluss und in der Folge als Dessert hier und da ein Zwischenkapitel lesen, das war eine Leseweise, die mir viel Zugänge eröffnet hat.

 

Postmoderne Organisationstheorie und Organisationsgestaltung von Dirk Holtbrügge