Eindrücklich, kritisch, augenöffnend, so bleibt das Buch in Erinnerung. Es zeigt auf, wie das abendländische kritische Denken, das an humanistischen Ausbildungsstätten gelehrt wurde, nach und nach abgelöst wird durch positive Psychologie und ein Glücksdiktat. Die AutorInnen zeichnen nach, wie der Blick von der gesellschaftlichen Verantwortung und dem konstruktiv-kritischen Betrachten von Schwächen (wie Lohnungleichheit, ungleiche Zugänge zu Ausbildungen, Reduktion von Stipendien, Ungerechtigkeiten usw.) nach und nach übergelenkt wird darauf, dass jede und jeder seines eigenen Glückes Schmid ist. Es wird dargelegt, wie diese Selbstverantwortung und Ich-AG-Idee passend zum Neoliberalismus, Militär und Wirtschaftsanliegen von der positiven Psychologie und deren Begründern gefördert wird. Es wird auch vorgestellt, wie Menschen, die sich nicht glücklich geben, im Arbeitsmarkt nach und nach benachteiligt werden. Und dass Firmen auch HR-Abteilungen reduzieren, weil sie mehr Selbstverantwortung erwarten können und das auch nutzen.

Das manchmal ungute Gefühl, wenn von Einzelnen als LebensunternehmerInnen gesprochen wird, wenn gesellschaftliche und wirtschaftliche Faktoren weggelassen werden und alles nur als individuelle Einzelleistung verstanden und erwartet wird, kriegt so einen soliden Untergrund: Denkansätze der positiven Psychologie waren schon früher mehrfach vorgelegt worden, aber im aufkeimenden Neoliberalismus fand diese Idee nun zuerst in den USA, mit Verzug auch in Europa und weltweit, solvente Sponsoren. Anders gesagt: die positive Psychologie entspricht einem Bedürfnis des Zeitgeistes zahlungskräftiger Gruppen, und vermittelt uns diese Ideen – gefolgt dann von Steuersenkungen für jene, die eben durch individuelle Leistungen reich wurden, Reduktionen bei den Krankenkassen und bei der Prävention, höheren Erwartungen am Arbeitsmarkt. Insofern wird aufgezeigt, wie die positive Psychologie und entsprechende Ideen von Selbst-AG, Alleinverantwortung fürs eigene Glück eingesetzt werden im alten Kampf der Richtungen, ob man selbst oder das soziale, ökonomische und bildungsmässige Umfeld für die Entwicklung der Menschen relevant sind. 

Es wird aufgezeigt, welchen zusätzlichen zeitlichen und finanziellen Aufwand heute Arbeitskräfte für die berufliche Position und für Entwicklungsschritte, Weiterbildungen auf individuelle Rechnung leisten. Und wie Menschen gerade in prekären Verhältnissen mit Mehrfachjobs, Job-Hopping, eigenen Firmen oder beruflicher Selbständigkeit (was ja häufig einfach ein Versuch ist, der Arbeitslosen- oder Sozialhilfe zu entkommen) alles geben, um sich über Wasser zu halten. Paradoxerweise sind diese Effekte gerade in wirtschaftlich schwachen Ländern wie beispielsweise Uganda, Thailand, Brasilien, Kamerun und Vietnam noch stärker spürbar. Die Zunahme an Depressionen und Suizidalität bei Jungen (die dann ja separat bekämpft wird) wird mit dem Glücksdruck teilweise verständlicher. Die Glücksindustrie, die von Selbstverbesserungsratgebern, Weiterbildungsangeboten über BodyCoaching zu Happify-Apps geht wird von Facebook, Instagram usw. gestützt, wo mit Selbstdarstellungen des eigene Glück (für mich natürlich erst noch anzustrebende, weil attraktiver als meines und mich damit antreibend) schön präsentiert wird. Eindrücklich ist, dass die Glücksindustrie sich so ganz neue, viel grössere Kundengruppen erschliessen konnte, da auch schon Glückliche noch glücklicher werden können – sie spricht also alle an, während frühere Ratgeberansätze, die nur Menschen mit Problemen ansprachen, viel weniger Menschen erreichten.

Die AutorInnen bedauern, dass mit der behavioristischen Vorgehensweise  der Glücksindustrie – die sich sehr am Erscheinungsbild, an der Darstellung nach aussen misst – manchmal mehr am Schein als am Sein gearbeitet wird. Damit wird jenen, die davon beeinflusst sind ein wirklich tiefer Wandel (der mit grundlegenden, auch kritischen Vorgehensweisen, mit Psychotherapie und Phasen des Suchens verbunden ist) eher erschwert. Zudem finanzieren die Krankenkassen dann auch eher verhaltensorientierte als psychoanalytische Schritte. In der Glückslehre gibt es gute und schlechte Gefühle. Dass in Wirklichkeit diese Gefühle nicht separate sind, sondern fliessend ineinander übergehen können, manchmal gleichzeitig auftauchen, sich über den Tag verändern können, also im Fluss sind, wird ignoriert – die statische plus / minus-Qualifizierung von Gefühlen ist für die Selbstakzeptanz nicht förderlich. Es ist also im Endeffekt eher ein Verlust für die Entwicklung der Gesellschaft, zu sehr auf Glück zu machen. Ein anregender, flüssig geschriebener, gut lesbarer Impuls.

Das Glücksdiktat – und wie es unser Leben beherrscht von Edgar Cabanas & Eva Illouz