Bisher war mir wenig bewusst, wie sehr die Geographie mein Leben bestimmt. Tim Marshall erklärt anhand von 10 Karten die Weltpolitik und ihr Einfluss auf mein und aller Menschen Alltagsleben.
Eindrücklich wird bewusst, wie sehr unsere mitteleuropäische Situation mit vielem verbunden ist, was andere nicht haben: Flüsse, die Güter transportieren können, was viel günstiger ist als Strassentransport und vor allem vor dem Ausbau der Autobahnen für Wirtschaften entscheidend war. Südamerika und Afrika hat diesbezüglich viel herausfordernde Situationen, da teilweise die Flüsse vor Erreichen des Meeres noch hohe Felsstufen hinunterfallen. Dann das Glück, ein Klima zu haben, wo man sowohl im Sommer wie Winter arbeiten kann, die Ernten gut wachsen und gleichzeitig viele Krankheitskeime (durch Mücken, Krankheiten der Pflanzen, Wasser) durch die Kältewelle im Winter abgewehrt werden. Es gibt Kontinente, die durch das Klima weniger begünstigt sind -auch wenn sie uns für Ferien günstiger scheinen. Tim Marshall beschreibt die Bedeutung der Gebirgszüge für die Menschen vor Ort, die Not von grossen Ländern ohne eisfreie Häfen, ohne unbehinderte Zugänge zu den Weltmeeren und die Auswirkungen, die entsprechende Korrekturmassnahmen auf nahe lebende Völker haben. Er beschreibt, wo sich Länder dank den natürlichen Grenzen gut entfalten können und wo – durch willkürliche, Kenntnisse Grenzziehungen vor allem auch der Briten – heute Menschen noch im Konflikt leben, Blut unnötig vergossen wird. Der Autor ist Brite, und durch seine Sichtweise – die viel Mitgefühl mit den betroffenen Menschen hat, die unausweichlich in unlösbaren Konflikten gefangen sind – zeigt sich, was die Grundlagen der Entscheide im Interesse dem Empire waren. Anhand von 10 Landkarten (das Universum als Machtbereich wird erst im Anhang beschrieben) zeigt er auf, wie die Lebensbedingungen der Menschen geprägt sind. Und damit eher, was die Rahmenbedingungen der Machtausübung der Regierungen der auf dem Globus teilweise willkürlich eingezeichneten Nationen sind. Und vor allem, wie das die Lebenssituation und Rahmenbedingungen der Völker und Menschen dort beeinflusst. So dass klar ist, dass man in bestimmten Ländern und Geographien bestimmte Ideen besser nicht hat, sonst ist das Leben verwirkt – oder auch was einem an Freiräumen bleibt. Und damit wird nochmals bewusst, wie viel im Moment in Mitteleuropa an Freiheitsgraden vorhanden ist, was ich sehr wertschätze und als Geschenk oder Glücksfall annehme.
Die Macht der Geographie bestimmt, in welchen Spielräumen die Regierungen Ihre Machtausübung gestalten können – die physische Macht bleibt jene, die die sozialen Räume definiert. Allerdings: so wie es beschrieben wird ist unausweichlich nichts anderes möglich als das, was entstanden ist. Übertragen auf unsere Situation im Gestalten und Begleiten von Organisationen und Führungskultur trifft wohl zu, dass die Struktur der Rahmenbedingungen eingrenzend dafür ist, was darin an Leben möglich ist. Aber es bestehen immer viele Möglichkeiten, wie man diese ausgestalten kann – hier wurde unausgesprochen unterstellt, dass es um Herrschaft, Zentralisierung von Macht, Ausbeutung der Lebensräume anderer für eigene Zwecke, bestimmende Eliten und arbeitendes Fussvolk gehen solle. Diese Sichtweise ist wohl ebenfalls ein Nachklang des britischen Empires, zeigt aber auf, dass unter einem vorbestimmten Mindset die Gestaltungsmöglichkeiten wirklich sehr eingegrenzt sind.