Faszinierend, wie konkret, schnörkellos und nüchtern Harari die Geschichte der Menschheit beschreibt. Immer wieder löst er sich von Mythen und Narrativen und findet einleuchtende Erklärungen für Entwicklungen. Mit seinem immensen Wissen um geschichtliche Fakten kombiniert er dabei eine Erzählung der Menschheit, die sehr plausibel scheint. 

Mit Lockerheit greift der mal zu einem horizontalen Benchmark und vergleicht beispielsweise bezüglich Ferienverhalten Menschen und Gorillas heute. Um im nächsten Absatz mit einem vertikalen Benchmark Liebesbeweise zwischen heutigen Begüterten und solchen in Babylon in einen Vergleich zu setzen. Diese Kontraste beleuchten vieles neu. 

Harari kann komplexes so einfach ausdrücken, dass man manchmal den Lesefluss stoppen muss, um Wesentliches setzen zu lassen und nicht im Weiteren untergehen zu lassen.

Zur Entstehung von Patriarchat und Geld bleibt er sehr vage, obwohl er beides bezüglich Erscheinungsformen, Auswirkung und Unsinnigkeit sehr tiefgreifend beschreibt. Aber zu Entstehungsmöglichkeiten mag er sich (noch) nicht so äussern. Und zur Auswirkung der Entdeckung von Metall sagt er gar nichts. Ich bin gespannt, wie dieser eloquente Schriftstellter im Endeffekt (bis zum Schluss seines dritten Buches) diese unsere Zeit prägenden Aspekte beleuchten mag.

Immer wieder zeigt der Autor einen Realismus, der über Zynismus hinausgeht. Er versucht, die Wunden, Traumata, Folter und Ungerechtigkeiten als Ausgangslage anzunehmen, um darauf weiter zu gehen. Alleine dies ist schon nur mit Blick auf die Geschichte eine menschliche Grenzleistung. Darüber hinaus konstruktiv zu sein ist schon eine Zusatzleistung. Und das noch akzeptierend als Ressource für die Zukunft zu nehmen ist noch mehr. Das tut der Autor immer wieder und ist anzuerkennen.

Er beschreibt die Folgen unserer Möglichkeiten, uns auf Wirklichkeitskonstruktionen zu einigen: Geld, Organisationsformen, Imperien, Religionen. Auf diesem Hintergrund schlägt er beispielsweise vor, dass ein einfacher wäre, wenn es nur eine Nation auf der Erde gäbe könnte – sie könnte am Besten die globalen Fragen klären und nur sie könnte multinationalen Unternehmen gegenübertreten.

Der Autor schreitet von der Vergangenheit über die Gegenwart zur Zukunft, und fragt, was uns antreibt. Was Glück ist, und ob wir das mehren konnten. Und ist zum Schluss zutiefst beunruhigt: Wir haben unendlich vielen Mitbewohnern – Tieren, Pflanzen, Insekten und auch Menschen – Unglück gebracht, und wissen heute, wo wir erstmal alles aufgeschlüsselt haben, um die Evolution mit Gentechnik, Robotnik, Cyborgs und Klonen selbst zu gestalten, immer noch nicht, was und wohin wir als Menschen wollen. Nachdem wir uns auf Geldwirtschaft, Nationalstaaten, Religionen einigen konnten müsste das doch auch für eine Zukunft gelten.

Der Autor hat durchgängig einen anderen als den gewohnten Zugang zu Geschichte: Er beschreibt eigentlich die neurobiologische, kognitive, soziale, organisatorische, ethische und spirituelle Entwicklung des Menschseins und wie sich diese Entwicklungen auf die Ausgestaltung der Welt auswirken (könnten).

Eine kurze Geschichte der Menschheit von Yuval Harari